Der schnelle Referendar
Regierungsdirektor Klaus Weber, Regierungspräsidium Chemnitz
Ferdinand Schnell 20.10.2004
Rechtsreferendar
Werdauer Str. 5
Zwickau
An das
Regierungspräsidium
Chemnitz
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich an Sie mit der Bitte um einstweiligen Rechtsschutz.
Die Stadt Zwickau hat mir mit Bescheid vom 10. 10. 2004 die Fahrerlaubnis der Klasse B (Pkw) entzogen, die Rückgabe des Führerscheines verlangt und die sofortige Vollziehung beider Festlegungen angeordnet.
Gegen diesen Bescheid habe ich bei der Stadt Zwickau inzwischen Widerspruch eingelegt.
Vorab weise ich bereits jetzt darauf hin, dass ich auf die Fahrerlaubnis dringend angewiesen bin. Ich muss regelmäßig Arbeitsgemeinschaften für Referendare beim Regierungspräsidium Chemnitz (Verwaltungsstation in der Ausbildung) besuchen, außerdem bin ich in der praktischen Ausbildung der Stadt Chemnitz zugewiesen.
Die Gründe, die die Stadt Zwickau zur Entziehung meiner Fahrerlaubnis vorgetragen hat, rechtfertigen diese schwer wiegende Entscheidung nicht.
Man wirft mir vor, am 25. 8. 2004 innerhalb der geschlossenen Ortschaft von Mittelbach die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 51 km/h überschritten zu haben. Aus den polizeilichen Ermittlungsakten, die ich inzwischen eingesehen habe, ergibt sich, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht bestand.
Weitere Verfehlungen im Straßenverkehr habe ich mir bisher nicht zuschulden kommen lassen. Wegen dieses einmaligen Vorfalls, den ich sehr bedauere, ist die Entziehung meiner Fahrerlaubnis, zumal mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbunden, nicht gerechtfertigt. Außerdem erfolgte keine Anhörung vor Erlass des Bescheides.
Ich bitte deshalb um schnelle und positive Entscheidung über meinen Aussetzungsantrag.
Mit freundlichen Grüßen
Ferdinand Schnell
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
STADT ZWICKAU Zwickau, den 7.11.2004
Der Oberbürgermeister
An das Regierungspräsidium
Chemnitz
Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B des Herrn Ferdinand Schnell
Bescheid der Stadt Zwickau vom 10. 10.2004
Sehr geehrte Damen und Herren,
in vorgenannter Angelegenheit beantragen wir, den Antrag des Antragstellers Schnell vom 20. 10. 2004 zurückzuweisen.
Es ist zutreffend, dass dem Antragsteller am 14. 10. 2004 ein Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis zugestellt wurde mit der Aufforderung zur unverzüglichen Abgabe des entsprechenden Führerscheins. Für den Fall der Nichtbefolgung der unverzüglichen Rückgabe hat ihm die Behörde ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro angedroht. DerAntragsteller hat inzwischen bei uns Widerspruch eingelegt. Die Behörde hat die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf § 4 StVG gestützt, da der Antragsteller die zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dieser Vorschrift erforderlichen 18 Punkte im Verkehrszentralregister nicht erreicht hat. Jedoch wurde die Entziehung der Fahrerlaubnis zutreffend mit § 3 StVG begründet und mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen (einschl, der Aufforderung zur unverzüglichen Rückgabe des Führerscheins). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nach § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend schriftlich begründet worden. Sie war deshalb erforderlich, weil bei der Entziehung nach § 4 StVG die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs kraft Gesetzes entfällt, dies jedoch bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG nicht der Fall ist. Die verkehrsrechtliche Verfehlung des Antragstellers spricht für sich. Er hat innerhalb der geschlossenen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit um über 100% überschritten und diesen Vorfall auch zugestanden. Ein derartig gefährlicher Fahrstil kann im Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer nicht hingenommen werden (Gefahrenabwehr, § 3 Abs. 1 SPoIG i. V. mit § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG). Herr Schnell ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Behörde hat in einem derartigen Fall kein Ermessen, sie muss die Fahrerlaubnis entziehen.
Hochachtungsvoll
Langenbach
Stadtrechtsdirektor
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Ferdinand Schnell, Zwickau 22.11.2004
An das
Regierungspräsidium
Chemnitz
Sehr geehrte Damen und Herren,
in meinem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 4 VwGO wegen Entziehung 7. 11. 2004 der Fahrerlaubnis der Klasse B mitAnordnung der sofortigen Vollziehung nehme ich zu dem Schriftsatz der Stadt Zwickau vom 7. 11. 2004 wie folgt Stellung:
Vorab bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, dass ich seit über 10 Jahren Inhaber der Fahrerlaubnis und außer dem von der Stadt Zwickau genannten Vorfall bisher im Straßenverkehr nicht auffällig geworden bin.
Dieser einmalige Vorfall berechtigt die Stadt Zwickau aber nicht zur Entziehung meiner Fahrerlaubnis.
Zutreffend hat die Stadt Zwickau ausgeführt, dass § 4 StVG nicht die einschlägige Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis in meinem Falle ist. Aber auch nach § 3 StVG war die Stadt nicht berechtigt, mir die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Bei dem Vorfall vom 25. 8. 2004 handelt es sich lediglich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit. Der Bußgeldkatalog sieht für diesen Fall in der Tabelle (Geschwindigkeitsüberschreitungen) unter dem Buchstaben c, lfd. Nr. 11.3.8., für diese Tat eine Regelgeldbuße in Höhe von 175 Euro vor einschl, eines Fahrverbotes von 2 Monaten.
Und wenn sogar bei noch höheren Geschwindigkeitsüberschreitungen nach dem Bußgeldkatalog ebenfalls nur Geldbußen und Fahrverbote ausgesprochen werden, so spricht dies eindeutig dagegen, mir wegen dieses einen Vorfalls die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Das ist absolut übertrieben und steht mir der gesetzgeberischen Wertung, wie sie sich aus den Sanktionen des Bußgeldkatalogs ergibt, nicht in Übereinstimmung. Die Behörde soll, womit ich einverstanden bin, gegen mich ein entsprechendes Bußgeld mit Fahrverbot festlegen. Dagegen ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig, da meine Ungeeignetheit nicht feststeht, die Behörde hat auch noch nicht mal Eignungszweifel geltend gemacht.
Auch die Zwangsgeldandrohung betrachte ich als überflüssig und unpassend. Insgesamt ist meinem Aussetzungsantrag aus den dargelegten Gründen stattzugebe
Mit freundlichen Grüßen
Ferdinand Schnell
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Stadt Zwickau 10.12.2004
Der Oberbürgermeister
An das
Regierungspräsidium
Chemnitz
Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B des Herrn Ferdinand Schnell Aussetzungsverfahren bei der Widerspruchsbehörde
Sehr geehrte Damen und Herren,
in vorgenannter Angelegenheit geben wir abschließend folgende Stellungnahme ab:
Der Antragsteller hat die hohe Geschwindigkeitsüberschreitung in einer geschlossenen Ortschaft, in welcher nur 50 km/h erlaubt sind (§ 3 Abs. 3 Satz 1 StVO), zugestanden. In Anbetracht dieser erheblichen verkehrsrechtlichen Verfehlung (§ 49 Abs. 1 Satz 3 StVO) hat die Behörde auf die Ahndung mittels Bußgeldbescheid verzichtet (einschl. Ausspruch eines Fahrverbotes) und die Fahrerlaubnis entzogen. Dies war erforderlich, weil sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Denn gerade die Vorschrift des § 3 StVG soll es doch ermöglichen, Fahrzeugführer »aus dem Verkehr zu ziehen«, die noch nicht 18 Punkte (wie der Antragsteller) erreicht haben. Deshalb, und auch aus generalpräventiven Gründen, war die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich und geboten. Soweit der Antragsteller auf Eignungszweifel der Behörde abstellt (§ 46 Abs. 3 FeV, Fahrerlaubnisverordnung, Bedenken gegen die Eignung), so ist ihm zu entgegnen, dass es hier nicht um Zweifel an seiner Eignung geht, er hat durch seine Fahrweise seine Ungeeignetheit dokumentiert. Der Antragsteller hat doch nur Glück gehabt, dass es bei seinem Fahrverhalten nicht zu Verkehrsgefährdungen gekommen ist. Um dies aber in Zukunft zu vermeiden, musste die Fahrerlaubnisbehörde mittels Entziehung tätig werden, ein Fahrverbot mit Geldbuße ist unangemessen. Die Zwangsgeldandrohung betr. Rückgabe des Führerscheins war erforderlich, um dem Antragsgegner klar zu machen, dass die Behörde ernsthaft das Verfahren der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers betreibt.
Der Antrag ist deshalb insgesamt abzulehnen.
Hochachtungsvoll
Langenbach
Stadtrechtsdirektor
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XX
Aufgabe:
1. Fertigen Sie ein Gutachten über die Erfolgsaussichten des Antrags des Schnell und gehen Sie (evtl. hilfsweise) auf alle angesprochenen Probleme ein.
2. Fertigen Sie abschließend den Tenor der Entscheidung des Regierungspräsidiums Chemnitz
Bearbeitungshinweis:
Die vom Antragsteller im Schreiben vom 22. 11. 2004 benannte Tabelle 1 zum sog. Bußgeldkatalog ist auszugsweise beigefügt:
Auszug aus der Tabelle:
Lfd. Nr. Überschreitung Regelsatz Fahrverbot in Monaten in kmlh in Euro
bei Begehung bei Begehung
innerhalb geschlossener Ortschaften
11.3.8 51-60 175 2 Monate 11.3.9 61-70 300 3 Monate 11.3.10 über 70 425 3 Monate
Nach § 26 a StVG hat der Bundesverkehrsminister die »Bußgeldkatalog-Verordnung« (BKatV) erlassen. Sie strebt eine Gleichbehandlung massenhafter Durchschnittsfälle (im Bereich des Straßenverkehrs) an, die Bußgeldregelsätze entsprechen vorausgesetzten Durchschnittseinkommen. (2)
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Lösungshinweise: (3)
Anmerkung: Eine Schwierigkeit in dieser Klausur besteht darin, dass der Ausgangsbescheid der Stadt Zwickau nicht vorliegt. Der Bearbeiter muss demnach aus den Schreiben bzw. Schriftsätzen des Antragstellers und der Stadt Zwickau sich den Tenor und den Inhalt des Ausgangsbescheides erarbeiten.
I. Zulässigkeit des Antrages 4
1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 VwGO: Es handelt sich um einen Sachverhalt aus dem Straßenverkehrsrecht (Eingriffsverwaltung, Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B). Nach der Sonderrechts- und der sog. Subordinationstheorie 5 gehört diese Streitigkeit zum öffentlichen Recht, insbesondere zum besonderen Verwaltungsrecht (hier Straßenverkehrsrecht als besonderes Polizeirecht (6) Dafür spricht auch die Regelung in § 4 Abs. 2 des Sächsischen Straßenverkehrszuständigkeitsgesetzes, wonach »die den ... Kreisfreien Städten übertragenen Aufgaben Weisungsaufgaben.. .mit unbeschränktem Weisungsrecht sind.« (7)
2. Statthaftigkeit
Der Antragsteller hat selbst in seinem Schriftsatz vom 20. 10.2004 vorgetragen, einen »Aussetzungsantrag« (nach § 80 Abs. 4 VwGO) zu stellen. Er will damit erreichen, dass er trotz Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis (und Rückgabe des entsprechenden Führerscheins) weiter Kraftfahrzeuge der Klasse B führen darf (bis zur Entscheidung in der Hauptsache, siehe später unter V.).
Der Antragsteller hat einen schriftlichen Antrag gestellt und auch bereits Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt Zwickau erhoben. 8
Anmerkung: Der Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO ist nicht (wie ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht) auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet. Faktisch besteht jedoch kein Unterschied. Der durch die evtl. Aussetzungsentscheidung (zugunsten des Antragstellers) bewirkte Rechtszustand schützt diesen vor Vollzugsmaßnahmen der Behörde, es besteht dann eine normativ verbindliche Lage, die dem Schutz durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (durch das VG bei § 80 Abs. 5 VwGO) entspricht. 9
3. Regierungspräsidium Chemnitz als zuständige Widerspruchsbehörde: 10
a) Grundsätzlich: Die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 2 VwGO.(11)
aa) Vorrangig ist zu prüfen, ob eine Selbstverwaltungsangelegenheit vorliegt, § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO.(12) Es handelt sich hier nicht um eine Selbstverwaltungsangelegenheit, sondern um besonderes Polizeirecht (Gefahrenabwehr mittels Entziehung der Fahrerlaubnis).
Die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO scheidet aus.
bb) Anschließend ist § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO zu prüfen. Widerspruchsbehörde ist dann die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat (sog. Ausgangsbehörde, hier die Stadt Zwickau), wenn ihr gegenüber die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist (Fall der Identität zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde).(13)
Nach dem bereits genannten »Straßenverkehrszuständigkeitsgesetz« gilt folgende Regelung (§ 4 Abs. 1):
»...Zuständige Behörde i. S. des § 73 Abs. 1 FeV sind
- das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit als oberste Landesbehörde,
- die Regierungspräsidien als höhere Verwaltungsbehörden,
- die Landkreise und kreisfreien Städte als untere Verwaltungsbehörden.«
Demnach ist gegenüber der Stadt Zwickau (als kreisfreie Stadt) die nächsthöhere Behörde keine oberste Landesbehörde, sondern die höhere Verwaltungsbehörde (Regierungspräsidium Chemnitz). Die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO scheidet aus, es besteht keine Identität zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde.
cc) Es verbleibt demnach bei der »Generalklausel« des § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO, der »nächsthöheren Behörde» als Widerspruchsbehörde. Dies ist, wie sich aus § 4 Abs. 1 des Straßenverkehrszuständigkeitsgesetzes ergibt, gegenüber der kreisfreien Stadt Zwickau das Regierungspräsidium Chemnitz (14) als höhere Verwaltungsbehörde. (15)
b) Nunmehr ist noch zu erörtern, ob die Widerspruchsbehörde auch im konkret hier zu entscheidenden Fall für einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO auf Aussetzung zuständig ist, da das Widerspruchsverfahren noch bei der Ausgangsbehörde (Stadt Zwickau) anhängig ist. Die Stadt Zwickau hat, wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, noch nicht über die Abhilfe nach § 72 VwGO entschieden, sodass die Zuständigkeit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch bei der Stadt Zwickau liegt.
Hier handelt es sich jedoch um ein Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO innerhalb des Widerspruchsverfahrens. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass dieser Antrag sowohl bei der Ausgangsbehörde als auch bei der Widerspruchs-behörde gestellt werden kann. Es besteht demnach eine kumulative Zuständigkeit, 16 jedenfalls ist auch die Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über den Aussetzungsantrag zuständig.
4. Beteiligten- und Handlungsfähigkeit
Die Beteiligten- und Handlungsfähigkeit des Antragstellers ist unproblematisch.
5. Antragsbefugnis
Die Antragsbefugnis ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Beschwer) i.V. mit § 42 VwGO, denn der Antragsteller macht (wenn auch nicht ausdrücklich) geltend, zumindest in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu sein. (17) Außerdem ist er Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes (sog. Adressatentheorie), der mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen worden ist.
6. Ergebnis
Der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 4 VwGO bei der Widerspruchsbehörde ist zulässig.
II. Begründetheit des Antrages
Der Aussetzungsantrag ist begründet, wenn die Voraussetzungen der Vollziehbarkeit nicht oder nicht mehr gegeben sind und! oder die Behörde bei der im Rahmen ihres Entscheidungsermessens vorzunehmenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis kommt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Behörde überwiegt. (18)
Das Gesetz hat in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bei der Aussetzung bezüglich öffentlicher Abgaben und Kosten ausdrücklich einen materiellen Maßstab vorgegeben, der bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes durch die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (wie hier geschehen) aber fehlt. Bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes kann jedoch kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen, jedenfalls haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs »Widerspruch« entscheidende Bedeutung bei der Frage, ob eine Aussetzungsentscheidung getroffen wird. (19)
1. Rechtsgrundlage (Gesetzesvorbehalt, Art. 20 Abs. 3 GG) 20
a) Die Stadt Zwickau hat einen den Schnell belastenden Verwaltungsakt (Entziehung der Fahrerlaubnis, Eingriff in Art. 2 GG) erlassen. Dazu benötigt die Stadt Zwickau eine Rechtsgrundlage. (21)
b) Abzugrenzen ist bei der Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde zwischen einer Entziehung nach § 3 oder nach § 4 StVG.
aa) Vorrangig ist eine Entziehung nach § 4 StVG bei den sog. Punktetätern (22) zu erörtern, falls der Adressat des Bescheides über die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß Abs. 3 Nr. 3 dieser Vorschrift 18 oder mehr Punkte im Verkehrszentralregister (§ 28 StVG) gesammelt hat.23 Dann gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu entziehen (sog. gebundene Entscheidung ohne Ermessen auf der Rechtsfolgenseite der Norm). Dieser Fall liegt hier nicht vor.
bb) Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann demnach nur noch auf § 3 StVG gestützt werden.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG findet das Punktesystem keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen auf Grund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG ergibt .24
»Erweist sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt 25 zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen«, § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG. Auch hier handelt es sich um eine sog. gebundene Entscheidung der Behörde ohne Ermessen auf der Rechtsfolgenseite der Norm.
c) Rückgabeverlangen betr. Führerschein: Nach § 3 Abs. Satz 2 StVG ist der Führerschein nach der Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern (i.V. mit § 47 FeV, insbesondere bei Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Rückgabepflicht (26).
d) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruht auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Sie bewirkt den »Ausschluss von der weiteren Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit sofortiger Wirkung«, 27 d.h. ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 41, 43 VwVfG). Deshalb hat Schnell hier auch den Aussetzungsantrag gestellt !
e) Die Zwangsgeldandrohung betr. Rückgabe des Führerscheins richtet sich nach dem VwVG. Durch Anordnung der sofortigen Vollziehung hat sich die Behörde einen sog. Vollstreckungstitel nach § 2 VwVG verschafft und durfte deshalb im Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits eine sog. unselbstständige Androhung vornehmen (§ 20 Abs. 2 VwVG).28
Anmerkung: Die Behörde hat im Tenor ihrer Entscheidung mehrere Regelungen getroffen. Deshalb ist für jede einzelne Regelung die in Frage kommende Rechtsgrundlage der weiteren Prüfung voranzustellen! Jede einzelne Regelung ist entspr. durchzuprüfen, im Zweifel hilfsweise (siehe die Aufgabenstellung!).
2. formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides der Stadt Zwickau (siehe § 46 VwVfG)
a) Verfahren: Keine Bedenken, eine fehlende Anhörung nach § 28 I VwVfG ist zwar ein Verfahrensfehler. Dieser kann aber geheilt werden (siehe § 45 Abs. 1 Satz 3 VwVfG).
b) Form: Keine Bedenken, aus den Schriftsätzen des Antragstellers und der Stadt Zwickau ergibt sich, dass ein formell ordnungsgemäßer Bescheid vorlag (siehe Vorbemerkung zu Beginn der Lösung), auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung war nach § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet. 29
Dass kein Formfehler vorliegt, kann man auch dem Vortrag des Antragstellers entnehmen, der insoweit keine Rüge vorgetragen hat.
c) Zuständigkeit der Stadt Zwickau:
aa) Zum Erlass des Ausgangsbescheides (Entziehung der Fahrerlaubnis) einschl, der Anordnung der sofortigen Vollziehung:
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 FeV (Fahrerlaubnisverordnung, Bundessrecht) wird das Fahrerlaubnisrecht von den nach Landesrecht zuständigen unteren Verwaltungsbehörden (Fahrerlaubnisbehörden) ausgeführt. Dies sind in Sachsen nach § 3 Abs. 3 GemO die kreisfreien Städte sowie nach § 2 Abs. 5 LKreisO die Landkreise als untere Verwaltungsbehörden. 30
Außerdem bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 3 des »Gesetzes zur Bestimmung der Zuständigkeiten der unteren Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet des Straßenverkehrswesen („Straßenverkehrszuständigkeitsgesetz«), (31) dass zuständige Behörden i. S. des § 73 Abs. 1 FeV »die Landkreise und Kreisfreien Städte als untere Verwaltungsbehörden« sind.
bb) Zum Erlass der Androhung eines Zwangsgeldes:
Zuständig hierfür ist die sog. Vollstreckungsbehörde nach § 4 VwVG. Im konkreten Fall handelt es sich um die Vollstreckung eines sog. sonstigen Verwaltungsaktes nach den §§ 19ff. VwVG, also nicht um die Vollstreckung eines Leistungsbescheides nach den §§ 12ff. VwVG (sog. Geldforderung, also z.B. Hunde- oder Grundsteuerbescheid).
Zuständig für die Vollstreckungsmaßnahme Zwangsgeldandrohung ist somit nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VwVG die Behörde, die den Verwaltungsakt (als sog. Grund-Verwaltungsakt) erlassen hat, also der Verwaltungsakt, dem die Androhung nachfolgt. Das ist die Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Forderung nach Rückgabe des Führerscheins mittels Bescheid der Stadt Zwickau (Grund-Verwaltungsakt). Demnach ist die Stadt Zwickau auch die zuständige Vollstreckungsbehörde.
3. materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides der Stadt Zwickau
a) Ausgehend von § 3 Abs. 1 StVG als Rechtsgrundlage für den Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis des Schnell ist zu fragen, ob dieser »ungeeignet« i. S. dieser Vorschrift ist (Tatbestand der Norm). Wird dies bejaht, so hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (Rechtsfolge).32 »Ungeeignet« (sog. unbestimmmter Rechtsbegriff) i. S . dieser Vorschrift liegt vor, wenn das von dem Inhaber der Fahrerlaubnis als Kraftfahrzeugführer ausgehende Sicherheitsrisiko das allgemein von dem Führen von Kraftfahrzeugen ausgehende Risiko deutlich übersteigt, 33 die Ungeeignetheit muss also aus erwiesenen Tatsachen hinreichend deutlich hervorgehen.34 Insbesondere können charakterlich-sittliche Mängel die Fahreignung ausschließen. »Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehr in Kauf zu nehmen.« 35
Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde zudem gehalten, die Umstände sorgfältig zu würdigen.36 »Denn der Hoheitsakt Entziehung der Fahrerlaubnis hindert den betroffenen Bürger dauerhaft an der Ausübung von Grundrechten, denen für seine persönliche Lebensgestaltung Bedeutung zukommt...« (37)
Bemerkenswert ist hier, dass der Entziehung der Fahrerlaubnis nur der Vorfall vom 25. 8. 2004 zugrunde lag (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften, § 3 Abs. 3 Satz 1 StVO).
Das OVG Lüneburg in dem in Anm. 36 zitierten Urteil weiter: »Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten wie hier, Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Satz 3 StVO), werden sie beharrlich und häufig begangen, (ausnahmsweise) in besonders krassen Fällen die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Mängel oder zumindest die Beibringung eines Eignungsgutachtens wegen begründeter Zweifel an der charakterlichen Eignung des Fahrerlaubnisinhabers rechtfertigen... Ein derartiger Ausnahmefall, der zumindest zu massiven Eignungszweifeln, bis zu deren Abklärung der Antragsteller von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlosse werden musste, Anlass gegeben hätte, liegt aber nicht vor... Es ist davon auszugehen, dass dem Antragsteller nur vorgeworfen werden kann, in einer Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 100 %, und zwar um 51 km/h überschritten zu haben, wobei es ausweislich der OWiG-Anzeige des Polizeikommissariats X. nicht zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist... Im Regelfall rechtfertigt eine isolierte Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung für sich genommen weder die Entziehung der Fahrerlaubnis (Anm.: nach § 3 Abs. 1 StVG), noch ist sie Anlass für derart massive Eignungszweifel, dass eine Begutachtung des Fahrerlaubnisinhabers zur Abklärung dieser Zweifel geboten ist... § 69 Abs. 2 StGB, nach welchem im Regelfall die Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen ist (Anm.: durch den Strafrichter 38), enthält nicht Fälle der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, sondern umfasst Verkehrsstraftaten, erfasst also Verkehrsordnungswidrigkeiten gerade nicht. Weiterhin lassen die Sanktionen, mit denen der Normgeber nach dem sog. »Bußgeldkatalog« Höchstgeschwindigkeitsüberschreitungen belegt, nicht den Schluss zu, Höchstgeschwindigkeitsüberschreitungen, mögen sie auch eine Hauptunfallursache sein, hätten für sich genommen ein derart großes Gewicht, dass ihre einmalige Begehung bereits zu massiven Eignungszweifeln in charakterlicher Hinsicht führen müsse.
Der Antragsteller hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der hier in Rede stehenden Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ein Fahrverbot und ein Bußgeld zu verhängen ist, und dass auch bei einer noch massiveren Höchstgeschwindigkeit-überschreitung nur ein Fahrverbot und eine Geldbuße als Sanktion ausgeworfen wird.
Sieht der Normgeber aber bei Höchstgeschwindigkeitsüberschreitungen als Sanktion generell (nur) ein Fahrverbot einschl. Bußgeld (39) vor und wird diese Sanktionsform selbst dann beibehalten, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit in einer geschlossenen Ortschaft um weit mehr als das Doppelte überschritten wird, so beeinflusst auch dies die Gewichtung der Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung im Fahrerlaubnisrecht in der Weise, dass an die einmalige bloße Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht bereits die Würdigung geknüpft werden kann, der Fahrerlaubnisinhaber sei aufgrund dieser Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung in charakterlicher Hinsicht zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder habe zumindest hierdurch an seiner Eignung so gewichtige Zweifel begründet, dass sein sofortiger Ausschluss von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr (Anm.: wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung) zur Abklärung dieser Eignungszweifel und zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt sei.<
Anmerkung: Diese Ausführungen des OVG Lüneburg zum konkreten Fall sind nachvollziehbar. Insbesondere handelt es sich hier um einen einmaligen Vorfall, der Antragsteller hat keinerlei Voreintragungen im Verkehrszentralregister. Entscheidend ist insbesondere die Festlegung des Gesetzgebers, derartige Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeit »nur« mit einem sog. Fahrverbot und nicht mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu sanktionieren.
Das Tatbestandsmerkmal der Ungeeignetheit liegt nicht vor. Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Schnell ist offensichtlich rechtswidrig und verletzt ihn in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG (siehe § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
b) Demnach ist auch das Verlangen nach Rückgabe des Führerscheins (welches von der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung abhängt) rechtswidrig und kann keinen Bestand haben.
c) Es bestanden, wenn überhaupt, lediglich Eignungszweifel. § 46 Abs. 3 FeV:. »Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, so finden die §§ 11 bis 14 entsprechende Anwendung,«
Insbesondere kann die Behörde dann nach § 11 Abs. 2 und Abs. 3 FeV die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln verlangen. 40 Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Regelung des § 11 Abs. 8 b FeV: »Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen«.41
Das OVG Lüneburg weist im konkreten Fall (42) ausdrücklich darauf hin, dass es bei Hinzutreten weiterer Verkehrsverstöße... angebracht sei, von Eignungsmängeln auszugehen, d.h. nicht bei diesem einmaligen Verkehrsverstoß..
Ergebnis: Der Aussetzungsantrag ist erfolgreich, weil der Widerspruch des Antragstellers offensichtlich Erfolg haben wird. Denn die Entziehung der Fahrerlaubnis des Schnell ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (§§ 68 Abs. 1, 113 Abs. 1 VwGO analog).
Betroffen davon ist die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Forderung nach Rückgabe des Führerscheins, da beide Anordnungen mit der sofortigen Vollziehung versehen waren. Diese Anordnungen hat der Antragsteller mit seinem Aussetzungsantrag »angegriffen«.
III. Tenor der Entscheidung des Regierungspräsidiums Chemnitz:
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Stadt Zwickau vom 10. 10. 2004 wird ausgesetzt.
2. Die Entscheidung ergeht kostenfrei, § 3 Abs.l Nr. 14 SächsVwKostG.
IV. Hilfsweise Ausführungen zur Zwangsgeldandrohung
1. Da die Widerspruchsbehörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgesetzt hat, ist über die Zwangsgeldandrohung (die nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Grundverwaltungsaktes erfolgte) nicht mehr zu entscheiden.43
Denn die Anordnung der sofortigen Vollziehung des sog. Grund-Verwaltungsaktes (Entziehung der Fahrerlaubnis und Rückgabe des Führerscheins) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO war zugleich ein sog. Vollstreckungstitel nach § 2 VwVG, der Voraussetzung für eine nachfolgende Androhung ist.44 Entfällt der Vollstreckungstitel, so kann auch die darauf aufbauende Androhung eines Zwangsmittels keinen Bestand mehr haben.45
2. Die Aufforderung zur »unverzüglichen« Rückgabe des Führerscheins kann gegen das Bestimmtheitsprinzip nach § 37 Abs. 1 VwVfG verstoßen. Unverzüglich bedeutet nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB »ohne schuldhaftes Zögern« und könnte deshalb Unklarheiten bezüglich des möglichen Endes einer Abgabefrist herbeiführen.46
3. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Sie hält sich im Rahmen der Vorgabe des § 22 Abs. 2 SVwVG (zwischen 5 und 25 000 Euro) und dient dazu, dem Willen der Behörde Nachdruck zu verleihen (»Beugemittel«), dass der Adressat des Bescheides über die Entziehung der Fahrerlaubnis auch das entsprechende Dokument abgibt.
V. Abschließende Anmerkungen
Es handelt sich hier um eine Entscheidung der Widerspruchsbehörde im Eilverfahren nach § 80 Abs. 4 VwGO zugunsten des Widerspruchsführers (ähnlich einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO). Die Widerspruchsbehörde hat jetzt in diesem Verfahren (des vorläufigen Rechtsschutzes) nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgesetzt.
2. Davon unabhängig läuft das sog. Hauptsacheverfahren, also das Widerspruchsverfahren des Schnell, durch den bei der Stadt Zwickau eingelegten Widerspruch weiter.
Die Stadt Zwickau muss demnach vorab über die Abhilfe nach § 72 VwGO entscheiden. Hilft die Ausgangsbehörde ab (was nach dem Ergebnis dieses Aussetzungsverfahren nahe liegen wird), so ist das Widerspruchsverfahren zugunsten des Schnell beendet (durch Erlass eines Abhilfebescheides).
Hilft die Ausgangsbehörde nicht ab, so wird die Akte der Widerspruchsbehörde (Regierungspräsidium Chemnitz) vorgelegt und diese entscheidet abschließend durch Erlass eines Widerspruchsbescheides § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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